Sekten, Kriege und Angeln
Far Cry 5 - Article - Sekten, Kriege und Angeln
Far Cry 5
19.04.18 10:07 Test
Nach Far Cry: Primal bringt Ubisoft nun den offiziell 5. Teil der Ego-Shooter-Reihe auf den Markt und konnte damit rein verkaufstechnisch schon große Erfolge einfahren. Ein verrückter Sektenkult und ...
Das 2004 erschienene Far Cry 1, welches damals noch unter Aufsicht des deutschen Entwicklerstudios Crytek (bekannt für die Crysis-Reihe) veröffentlicht wurde, setzte den Grundstein für eine der erfolgreichsten Videospielreihen der letzten Jahre. Die darauffolgenden Veröffentlichungen der Reihe stammten alle aus dem Hause Ubisoft und sind rückblickend für sich genommen alles gute und gelungene Spiele, denen es aber leider oftmals im Vergleich zu ihren jeweiligen Vorgängern an Innovation im Spielgeschehen und der Spielmechanik fehlte. Dass Ubisoft aber auch vor neuen und abgedrehten Inhalten nicht zurückschreckt, zeigen zwei der Ableger der Spielreihe. Zum einen das 2016 erschienene Far Cry Primal, was in Form eines Steinzeit-Settings einen komplett neuen Weg eingeschlagen hat und zum anderen das Addon von Far Cry 3 „Blood Dragon“ aus dem Jahre 2013, was sich vor allem an bekannten 80er/90er Jahre Filmen orientierte und eine knallbunte, mit Cyber-Drachen und Dinosauriern bevölkerte SciFi-Spielwelt auf den Markt brachte. Ganz so durchgeknallt kommt Far Cry 5 zwar nicht daher, verspricht aber interessante behandelte Thematiken. Der US-Bundestaat Montana darf erkundet und vermutlich auch an der ein oder anderen Ecke zerstört werden, alles um einen Sektenführer von seinen Vorhaben abzuhalten, seine religiösen Überzeugungen zu verbreiten. Und rein zahlentechnisch ist Far Cry 5 schon jetzt ein großer Erfolg. Mit einem bisherigen Umsatz von über 310 Mio. Dollar ist Far Cry 5 der verkaufstechnisch erfolgreichste Teil der Reihe. Schon jetzt wurden mehr als doppelt so viele Exemplare verkauft wie bei Far Cry 4.
Sind diese Zahlen lediglich auf ein gutes Marketing zurückzuführen oder durchbricht der 5. Teil der Action-Adventure-Serie tatsächlich die Gewohnheiten und Prinzipien der allzu bekannten und bisweilen überholten Spielmechanik?

Verrückte Kultisen und mittelmäßige Bösewichte

Die Geschichte findet in Montana, genau genommen in Hope County statt. Zwischen den riesigen Landschaften und weitläufigen Gebirgen treibt eine Weltuntergangssekte namens „Project at Eden’s Gate“ ihr Unwesen. Weltreligiös positionieren tut sich die Sekte nicht, verteilte Kreuze deuten aber auf eine christliche Glaubensbewegung hin. Unter Aufsicht des gleichermaßen charismatischen als auch verrückten Anführers Joseph Seed und dessen drei Geschwistern, zieht die Sekte durchs Land und versucht auf äußerst brutale Art und Weise Ungläubige von ihrer Religion zu überzeugen und schreckt dabei auch nicht vor öffentlichen Hinrichtungen zurück. Die misslungene Verhaftung von Joseph Seed löst einen Bürgerkrieg zwischen den Sektenanhängern und vereinzelten Widerstandskämpfern aus, den es nun zu beenden gilt. Mit Joseph Seed wird die Tradition der wahnsinnigen und ikonischen Schurken versucht aufrechtzuerhalten. Vor allem seit dem Kult-Bösewichten Vaas Montenegro aus Far Cry 3 wird deutlich, wie wichtig ein innovativer und durchdachter Antagonist sein kann. Filmreihen wie James Bond leben geradezu von ihren Bösewichten, welche oftmals einen Konflikt der Zeit verkörpern. So auch Joseph Seed - es ist kein Zufall, dass manche dargestellten Szenarien den Vorgehensweisen der Terrormiliz Islamischer Staat ähneln. Natürlich nicht in ihrer extremen Drastik und Grausamkeit, gewisse Parallelen lassen sich jedoch nicht abstreiten. Und auch der Sektenwahn, der sich in vielen ländlichen Teilen der USA breitmacht, ist bei Weitem kein erfundener Zustand. Grundsätzlich bietet Far Cry 5 also eine spannende Ausgangssituation, der Antagonist in Form von Joseph Seed trägt hierbei aber leider nur bedingt seinen Teil zu bei.

Über weite Strecken des Spiels bekommt man es mit den Geschwistern zu tun, die allesamt nicht das Charisma und die Ausstrahlung eines Vaas oder Pagan-Min (aus Far Cry 4) besitzen. Joseph Seed reiht sich hier leider ein und schafft es nicht, einen tiefgründigen Gegenpart zu bilden. Viele Szenen sind vielmehr auf den Schockmoment fokussiert, was ab und an auch eindrucksvoll funktioniert, inhaltliche Ausgewogenheit sucht man aber leider vergebens. Und auch die Story gerät im Laufe des Spiels immer mehr aus den Fugen und nimmt überzogene Ausmaße an, die mit Sicherheit für den ein oder anderen Spieler wenig nachvollziehbar oder übertrieben sind. Trotz allem bietet das Sekten-Setting einiges an interessanten und klugen Inhalten, die teilweise selbst in ihren Schockmomenten gar nicht so weit von der Realität entfernt sind. Potential für mehr ist aber leider trotzdem ungenutzt vorhanden.

Die schönsten Seiten von Montana

Far Cry 5 sorgte im Vorhinein mit grafisch extrem aufwendig und hochwertig produzierten Teaser Trailern für Aufsehen. Die enorm realistisch aussehenden Ausschnitte, welche die verschiedenen Widerstandskämpfer in Hope County vorstellen, machten geradezu Hoffnung auf eine Grafikrevolution, doch das durfte durch erste offizieller Trailer schnell wieder relativiert werden. Grafisch muss sich Far Cry 5 aber trotzdem nicht verstecken und überzeugt hier in nahezu allen Belangen. Seien es realistische Gesichtsdarstellungen, reibungslose Kämpfe oder eine beeindruckende Landschaftsdarstellung – die Grafik sorgt stets für eine passende und eindrucksvolle Atmosphäre, die von unbefangenen und friedlichen Momenten bis hin zu bedrohlichen, apokalyptischen Sequenzen reicht. Die Cutscenes begeistern mit einer filmischen Inszenierung, längere Ladezeiten können hierbei aber leider eine schön aufbereitete Spannung ein wenig zerstören.

Mit Hope County hat Ubisoft erneut ein tolles Gespür für abwechslungsreiche und beeindruckende Spielwelten bewiesen. Geografisch, als auch inhaltlich wird Hope County in drei Regionen aufgeteilt. Im Norden treibt Jacob Seed sein Unwesen, im Osten sorgt die Schwester von Joseph Seed, Faith Seed für Angst und Schrecken und im Westen bekommt man es mit John Seed zu tun. Alle drei Regionen zeigen die unterschiedlichsten Seiten von Montana und reichen von weitreichenden Weizenfeldern mit engen Flussarmen bis hin zu hohen Gebirgsketten mit verbreiteten Waldflächen – jede Region besitzt ihren ganz eigenen Charme und macht ein freies Auskundschaften glatt zum urlaubsreifen Spielererlebnis (mal ganz abgesehen von den verrückten und gewaltbereiten Kultisten, die auch das schönste Naturszenario zu zerstören versuchen).
Spielerisch alles beim Alten

Schon nach wenigen Spielstunden wird deutlich – der Fokus liegt mehr auf der Action als auf dem Sammeln von Gegenständen, was vor allem bei Far Cry Primal noch ein wichtiger Bestandteil war. Ansonsten bleibt grundsätzlich aber alles beim Alten, es müssen wieder Stützpunkte und Außenposten eingenommen und sich darin befindende Geiseln befreit werden. Hierbei ist ein klarer Weg nicht vorgegeben, vorhandene Hilfsmittel wie Tanklaster oder Alarmanlagen ermöglichen viele Arten, die Stützpunkte einzunehmen. Angriffe aus der Ferne, schleichende Nahangriffe oder der offene Kampf – für jeden Spielertyp ist gesorgt. Auf deinem Weg stehen dir auch einige Unterstützer in Form von Widerstandskämpfern und Tieren zur Verfügung, die sich im Laufe der Geschichte freischalten lassen. Vor allem in taktischer Hinsicht ist dieses Feature interessant, da sich jeder Mitstreiter unterschiedlich gut oder schlecht für die jeweilige Situation eignet. Bären oder Hunde beispielsweise werden für wilde Tiere gehalten und sorgen somit für weniger Aufsehen als menschliche Unterstützer, dafür können diese mehr Schaden anrichten und auch aus der Luft angreifen. Es wird also abermals versucht, das Spielgeschehen möglichst kreativ und abwechslungsreich zu halten um den Spielspaß möglichst lange aufrecht zu erhalten. Auch wenn sich Far Cry 5 hinsichtlich der Nebenmissionsziele nicht allzu deutlich von seinen Vorgängern unterscheidet, das altbewerte Spielprinzip der Eroberung und Befreiung von gegnerischen Posten macht nach wie vor einen Heidenspaß und wird aufgrund kleinerer Neuerungen auch 2018 nicht langweilig.

Verteilt auftretende Zufallsevents wie Überfälle, Straßenkämpfe oder auch friedliche Angeltrips sorgen für Abwechslung und halten die offene Spielwelt frisch. Doch leider kommt es ab und an vor, dass dadurch die Story unnötig in die Länge gezogen wird, da auf dem Weg zum nächsten Missionspunkt so gut wie immer mindestens eins der vorher angesprochenen Events auftritt. Dadurch könnten nicht nur Liebhaber einer stringent erzählten Geschichte abgeschreckt werden, auch inhaltlich verliert Far Cry 5 oftmals die Hauptstory aus den Augen und legt den Fokus auf die zu Hauf vorzufindenden Nebenmissionen. Natürlich ist ein umfangreiches Spielgeschehen auch abseits der Geschichte in einem Open-World-Spiel unabdingbar und auch notwendig, um die riesige Spielwelt mit Leben zu füllen, an der ein oder anderen Stelle hätte eine konsequentere Erzählweise aber nicht geschadet. Für Nebenmissionen bleibt auch nach der Hauptstory noch genug Zeit. In Sachen Fortbewegungsmittel macht Far Cry 5 alles richtig, denn alle vorhandenen Fortbewegungsmittel, egal ob am Boden oder in der Luft, lassen sich extrem flüssig und angenehm steuern, ohne gewisse Realitätsansprüche aus den Augen zu verlieren. So kann es beispielweise vorkommen, dass nach kurzer Fahrzeit eine offen gelassene LKW Tür für Probleme bei der Steuerung führt und diese erstmal geschlossen werden muss, um die Fahrt anständig fortzusetzen. Viele solcher kleinen Details zeugen von einer Liebe zum Detail und sorgen für jede Menge Spielspaß.

Ein Levelsystem ermöglicht die individuelle Verbesserung des eigenen Spielcharakters. Benötigte Fähigkeitspunkte können durch Haupt- und Nebenmissionen erspielt und direkt eingesetzt werden. So kannst du beispielweise deine Kletterskills verbessern oder mehr Waffen tragen – in jeder spielerisch relevanten Rubrik können stets neue Inhalte freigeschaltet werden. Shops für Waffen und Items sind in der gesamten Spielwelt zu finden und ermöglichen den Kauf von Pistolen, Granaten oder rein kosmetischen Inhalten. Die Auswahl ist groß, doch leider lassen sich viele Waffen nur mit echtem Geld bezahlen, was ein verbreitetes Problem der momentanen Videospielgeneration zu sein scheint (man denke nur mal an Titel wie Battlefront 2 oder NBA 2K18). Derart stark fällt der Einsatz der Ingame Currency zwar nicht ins Gewicht, ein bestehender Negativtrend lässt sich aber trotzdem nicht abstreiten.

Koop-Modus und kreative Freiheit

Die gesamte Geschichte, sowie vorhandene Nebenmissionen können in Far Cry 5 zu zweit im Koop-Modus erlebt werden. Vor allem in taktischer Hinsicht rückt somit ein weiterer interessanter Aspekt in den Mittelpunkt, denn das Erobern von Stützpunkten und gegnerischen Posten kann genauer geplant und vollzogen werden, denn beide Spieler können an unterschiedlichen Ecken für Aufsehen sorgen. So kann beispielsweise ein Spieler die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, in dem er Lärm macht und sich zu erkennen gibt, während der andere heimlich die Geiseln befreit und den Gegnern in den Rücken fällt. Doch leider wird der Storyfortschritt nur beim Host der Spielsitzung gespeichert und es ist somit von Vorteil, wenn die gesamte Story im Koop-Modus gespielt wird, da sich bei einem Spieler ansonsten inhaltliche Lücken auftun. Spaß macht die Jagd zu zweit aber trotzdem und gibt Far Cry 5 eine tolle Möglichkeit, mit Freunden auf möglichst kreative Art und Weise Hope County von „Project at Eden’s Gate“ zu befreien. Und sind wir mal ehrlich, es macht doch vielmehr Spaß zu zweit die Spielwelt auf den Kopf zu stellen, als alleine (mal abgesehen von den CPU-Verbündeten) durch die durchwachsene Story zu stolpern. Ebenfalls erwähnenswert ist der sogenannte „Far Cry 5: Arcade-Modus“, in welchem Mehrspieler- als auch Einzelspielermaps von den Nutzern erstellt und veröffentlicht werden können. Es besteht sogar die Möglichkeit, die einzelnen Maps mit einfachen Missionen auszustatten, um eine individuelle Spielwelt zu entwickeln. Interessanterweise stehen zur Erstellung von Maps nicht nur Elemente aus Far Cry 5 zur Verfügung, sondern auch auf Gegenstände und Objekte aus anderen Ubisoft-Veröffentlichungen wie Assassin’s Creed oder der Watchdog-Reihe kann zurückgegriffen werden. Der Arcade-Modus bietet eine tolle Abwechslung und Alternative zur Singleplayer-Spielwelt und Spieler können sich kreativ austoben.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von Rufus
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19. 04. 2018 um 10:07
19. 04. 2018 um 10:07
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