Gefangen in der ewigen Dämmerung
Murdered: Soul Suspect - Article - Gefangen in der ewigen Dämmerung
Murdered: Soul Suspect
16.06.14 20:02 Test
Seit dem 06.06.2014 ist das innovative Krimi-Adventure „Murdered: Soul Suspect“ im Handel erhältlich und hat eine überaus interessante Grundprämisse zu bieten. Ob das Spiel überzeugen kann, kl ...
Als „Murdered: Soul Suspect“ im letzten Jahr auf der E3 angekündigt wurde, war die Überraschung groß. Neben einer originellen Grundidee, schienen die Entwickler auch allerhand unkonventionelle und interessante Elemente in ihr Spiel zu integrieren, was die Erwartungshaltung seitens der Spielergemeinde schnell in die Höhe schießen ließ. Inzwischen ist das Spiel erschienen und die Meinung der Fachpresse fällt insgesamt eher ernüchternd aus: Das Spiel sei in seinem Gameplay zu repetitiv und langweilig geraten, merken alle als vernichtenden Kritikpunkt an. Jedenfalls scheint von der anfänglichen Euphorie nur sehr wenig übrig geblieben zu sein. Ein Umstand den ich nach dem Spielen von „Murdered: Soul Suspect“ nur stellenweise nachvollziehen kann.

Denn unabhängig vom zugegebenermaßen etwas uninspirierten Gameplay kann der Titel aus dem Hause Square Enix in nahezu allen Belangen überzeugen! Die Story gehört definitiv zu den intelligentesten und spannendsten Drehbüchern der jüngeren Videospielgeschichte und konnte mich bereits nach kurzer Zeit in ihren Bann ziehen. Ich habe die geisterhafte Verbrecherjagd daher über die gesamte Spieldauer gespannt mitverfolgt und war durchaus traurig, als schließlich der Abspann über den heimischen TV-Bildschirm flimmerte. „Murdered: Soul Suspect“ versprüht tatsächlich eher den Charme eines guten Filmes als den eines herkömmlichen Videospieles und stellt sich damit in eine Tradition, der auch das schmerzhaft unterbewertete „L.A. Noire“ angehört.

Story top, Gameplay flop
Als das Leben des Polizisten Ronan O´Connor durch einen brutalen Killer vorzeitig beendet wird, findet er sich plötzlich in einer überaus seltsamen Geisterwelt wieder, in der neben zahlreichen Mordopfern auch einige finstere Dämonen ihr Unwesen treiben. Ronan muss so lange in dieser schemenhaften Zwischenwelt verweilen, bis sein Mord von den talentlosen Ermittlern seines ehemaligen Polizeireviers aufgeklärt wurde und der Mörder seine gerechte Strafe bekommen hat. Da er nicht auf direktem Wege mit seinen Ex-Kollegen kommunizieren kann, stellt er auf eigene Faust Ermittlungen an, gibt ihnen subtile Hinweise und bringt Stück für Stück Licht ins Dunkle einer grauenhaften Mordserie…

Die kollektive Kritik der Fachpresse am repetitiven, wenig spannenden Gameplay ist durchaus berechtigt, weshalb ich sie an dieser Stelle ebenfalls anbringen muss. Obgleich das Untersuchen von Verbrechensschauplätzen jede Menge Potential für knifflige und zugleich spannende Detektivarbeit bereit hält, können die Entwickler es leider nicht wirklich ausnutzen. Statt cleverem Kombinieren, wird man mit einer immer gleich ablaufenden Recherche konfrontiert, bei der man durch das stupide Drücken auf die Viereck-Taste Hinweise sammelt und diese anschließend in einem banalen Kombinations- bzw. Selektionsspiel auswertet. Nebenbei kann man noch die Gedanken herumstehender Menschen lesen, selbige beeinflussen oder ihren Gesprächen lauschen. Doch leider fehlt auch hier jeglicher spielerischer Anspruch. Wer wert auf ein spannendes Gameplay setzt, dürfte also ziemlich enttäuscht werden.

Wenn man jedoch (wie ich) mehr wert auf die Geschichte legt, kann man die Defizite im Rätsel-Design recht gut verschmerzen, denn bei der Story drehen die Entwickler richtig auf und belohnen den Spieler daher in angemessener Form fürs Durchhalten. Die Geschichte kommt als ein düsterer Genremix daher, in dem Film-Noir-Elemente ebenso ihren Platz finden wie ein abgedrehtes Geister-Parallel-Universum. Diese Geisterwelt ist in ihrem vollen Umfang aufgrund des limitierten Handlungsraumes zwar lediglich erahnbar, kann aber auch in Form des salemschen Mikrokosmoses bleibende Akzente setzen. Richtig gruselig wird’s zwar irgendwie nie, aber dafür bleibt der weitere Handlungsverlauf immer interessant. Allerdings hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle durchaus etwas mehr Konsequenz und Härte gewünscht.
Das Script des Spieles weist eine Vielzahl optionaler Rückblenden und Szenen auf, die den angenehm kantigen Antihelden Ronan immer weiter ausformulieren, weshalb ich allen Spielern dazu rate, stets die Augen offen zu halten. Mancherlei wichtigen Konflikt oder bedeutsame Hintergrundinformation erfährt man nämlich bloß, wenn man die entsprechende Erinnerung einsammelt – also fleißig suchen!
Als große Fehlentscheidung der Entwickler erweisen sich jedoch die ultra-nervigen und im Adventure-Kontext geradezu deplaziert wirkenden Dämonen-Kämpfe. Das Heranschleichen samt anschließendem QT-Event macht schlicht und einfach keinen Spaß und stört den weiteren Verlauf der Handlung aufgrund der offenkundigen Belanglosigkeit sogar. „Murdered: Soul Suspect“ hätte ohne dieses Stealth/Action-Element vermutlich eine weitaus bessere Figur gemacht!

Gelungene Präsentation, enttäuschender Umfang
Grafisch macht das Spiel eine weitestgehend ordentliche Figur, auch wenn das Potential der Next-Gen Konsolen offen gestanden nicht wirklich ausgenutzt wird. Die Texturen könnten beispielsweise etwas schärfer sein und auch was die Animationen der Figuren betrifft, wird einem in „Murdered: Soul Suspect“ lediglich solides Handwerk präsentiert. Trotz allem ist das morbide Setting überaus atmosphärisch geraten und kann den Spieler sehr schnell tief hinein in die düstere Geschichte ziehen. Grandios gelungen ist zudem die deutsche Synchronisation, die eine Vielzahl bekannter Hollywood-Stimmen auffährt und jederzeit hochwertig und stimmig daher kommt. Der beeindruckenden akustischen Präsentation ist deshalb auch ein nicht unbedeutender Teil der Spannung des Spieles zu verdanken, da die Story nahezu filmreif präsentiert und überaus professionell akustisch untermalt wird.
Was den Umfang betrifft, muss leider konstatiert werden, dass die Haupthandlung mit ihren rund 7 Stunden Spielzeit ruhig etwas üppiger hätte ausfallen können. Allerdings addieren die zahlreichen optionalen Nebenfälle immerhin noch einige unterhaltsame Stunden hinzu.
Auch wenn es höchst erfreulich ist, dass ein Entwicklerstudio bei einem Big-Budget-Titel wie „Murdered: Soul Suspect“ glaubhafte Ambitionen zeigt innovieren zu wollen und dabei originelle Ansätze verfolgt, ist dieses Vorhaben leider nur auf dem Papier geglückt. Denn aus spielmechanischer Sicht gibt es lediglich Altbekanntes und schmerzhaft Banales zu sehen, was jedoch glücklicherweise durch die hervorragende Story recht gut kaschiert werden kann. Unterm Strich hatte ich daher trotz aller Kritikpunkte jede Menge Spaß und wurde über die gesamte Spieldauer bestens unterhalten. Der prognostizierte, innovative Hit, ist das Spiel aber leider nicht geworden.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von George Stobbart
Zuletzt online: 6 Jahre 7 Monate
Kategorie:
Test
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Aktualisiert
16. 06. 2014 um 20:02
16. 06. 2014 um 20:02
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