Das Entwicklerstudio Bandai Namco dürfte sich für allem wegen seiner erfolgreichen Videogame-Franchises wie Dark Souls, Tekken oder auch Pac-Man über die letzten Jahrzehnte eine beachtliche Reputation in der Gaming-Branche aufgebaut haben. So ist es umso erfreulicher, dass das japanische Unternehmen auch kleineren Entwicklerstudios Platz für ihre kreativen Vorstellungen und Ideen gibt. In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Gaming-Studio Tarsier Games veröffentlicht Bandai Namco nun den zweiten Teil des 2017 erschienenen „Little Nightmares“. Der Horror-Puzzle-Plattformer erinnerte spielerisch, sowie optisch stark an Indi-Hits wie Limbo oder auch Unravel und war ein kleiner Überraschungserfolg. Nach drei DLCs, etlichen YouTube-Reaktionsvideos, positiven Kritiken und der 2018 erschienenen Smartphone-Adaption „Very Little Nightmares“ dürfen sich die Fans des ersten Teils nun endlich auf neue, mysteriöse Horrorabenteuer freuen. „Little Nightmares 2 orientiert sich dabei spielerisch und inhaltlich stark an seinem Vorgänger, kommt jedoch in Sachen Gameplay und Setting nochmal etwas umfangreicher daher.
Und so viel vorneweg: Bandai Namco und Tarsier Studios verstehen es, an den richtigen Schrauben zu drehen, ohne die vorhandenen Stärken zu vernachlässigen. Was den zweiten Teil der „Little Nightmares“-Reihe besser als seinen Vorgänger macht und warum das Horror-Rätsel-Adventure den Spieler*innen nach wie vor einiges an Nervenstärke abverlangt, zeigt euch der folgende Test.
Die etwas andere Erzählung
Inhaltlich knüpft Little Nightmares 2 an seinen Vorgänger an. Eine stringent erzählte, kohärente Geschichte sucht man jedoch weiterhin vergebens. Diesmal schlüpfen die Spieler*innen nicht mehr in die Rolle des kleinen Mädchen Six, sondern durchleben das alpraumhafte Abenteuer aus der Sicht des in Tüten verpackten Momo. Über die Herkunft und Beweggründe des kleinen Jungen werden die Spieler*innen im Ungewissen gelassen. So gibt es keine Einleitung oder Intro. Die Spieler*innen werden ohne jegliche Vorwarnung ins Geschehen geworfen, wodurch sich von Anfang an eine gewisse Ratlosigkeit und Orientierungslosigkeit breit macht. Das daraus resultierende Unbehagen bestärkt die vorherrschende Horror-Atmosphäre maßgeblich.
Momo selbst erscheint selbst jedoch ebenfalls recht ahnungslos. Einiges deutet darauf hin, dass er durch einen alten Röhrenfernseher in die düstere Parallelwelt geworfen wurde, in welcher er sich nun allerhand mysteriöser Horrorszenarien stellen muss – zumindest rechtfertigen einige frühe Andeutungen wie beispielsweise ein kaputter Röhrenfernseher zu direktem Beginn des Spiels diese Vermutung. Das alles bleibt aber – wie so vieles in Little Nightmares 2 – reine Spekulations- und Interpretationssache.
So verwundert es wenig, dass Momo auf seinem Weg einigen Hinweisen begegnet, die zwar in keinen direkten geschichtlichen Kontext gesetzt werden können, jedoch trotzdem zum Grübeln und Nachdenken anregen. Auch trifft Momo schon sehr früh auf Six, der Protagonistin des ersten Teils und die beiden Kinder durchlaufen einige Abschnitte des Abenteuers gemeinsam. Gesprochen wird in Little Nightmare 2 nicht, einzig kleinere Gesten besitzen minimal erzählerischen Charakter. Diese schemenhafte, lose Erzählart löst – wie schon 2017 – ein spannendes Kopfkino aus. Das zentrale Motiv der Kindheitsängste wird stringent fortgeführt und um einige neue, interessante Setting-Ideen sinnvoll erweitert. Little Nighmares 2 bleibt also dem Konzept seines Vorgängers treu: Das Geschehen kommt den Prinzipien eines Alptraumes gleich und wir vorrangig über die erzeugte Stimmung und Atmosphäre erzählt. Das ist nicht nur (nach wie vor) aus videospieltechnischer Sicht recht innovativ, auch entgeht Little Nightmares 2 damit ein Stück weit der Gefahr, in austauschbare Horrorklischees abzudriften.
Wie schön kann Horror sein?
…und genau darin liegt das Herzstück des Horror-Adventures. Little Nightmares 2 führt den einzigartigen Stil des ersten Teils konsequent fort und erschafft eine zutiefst stimmungsvolle, mysteriös-beklemmende, aber auch wunderschöne Grusel-Atmosphäre. Das Art- und Character-Design erinnert dabei an Filme wie Tim Burton’s The Nightmare Before Christmas, Coraline oder Chihiros Reise ins Zauberland. Das gesamte Spielgeschehen ist in einem dunklen Blauton gehalten und findet ausschließlich bei Nacht statt. Angefangen bei einer großartigen Lichtsetzung beweist Tarsier Studios ein gutes Händchen für den Einsatz klassischer Horror-Elemente. In beinahe jeder Szenerie beschränkt sich der Lichtwurf auf ein bestimmtes Objekt: Sei es die Deckenlampe in einer engen Abstellkammer oder die Handlaterne eines schießwütigen Waldbewohners – Lichtquellen sind rar gesät. Dies sorgt für ein spannendes und effektives Zusammenspiel von Licht und Schatten, zumal viele Lichtobjekte durch ihre Bewegung (bspw. eine im Wind wehende Laterne) für eine permanente Unruhe sorgen. Beispielsweise werden viele lauernde Gefahren durch einen Schattenwurf angedeutet, was sich bei behutsamem Einsatz als wirkungsvolles Spannungselement erweist.
Hinzu kommt das grandiose Sounddesign, was maßgeblichen Anteil an der tollen Atmosphäre hat. So viel vorneweg: Little Nightmares 2 sollte, nach Möglichkeit, mit Kopfhörer oder einem guten Soundsystem gespielt werden. Sei es der Score oder die Geräuschkulisse – Bandai Namco und Tarsier Studios entwerfen einen intensiven und stimmungsvollen Soundteppich, welcher das Spielgeschehen um einige Horror-Facetten erweitert und das Gruselerlebnis damit entscheidend steigert. So findet der Spannungsbogen in vielen Momenten beinahe ausschließlich über die Soundebene statt, beispielsweise durch vereinzelte, entfernte Schreie, unerklärliches Gerumpel oder das plötzliche, aggressive Hacken eines Fleischerbeils. Der Rest wird dabei dem eigenen Kopfkino überlassen. Auch sorgen die unterschiedlichen Gegnertypen durch allerlei individuell-angepasste Sounds für genretypische Gruselmomente. Hinzukommt das einzigarte Character-Design, welches – wie bereits angedeutet – den eigenen Alpträumen einen Tim Burtons entsprungen sein könnte.
All das dürfte für Fans des ersten Teils keine großartige Überraschung oder Neuerung darstellen, da Little Nightmares 2 hierbei den Stärken der Reihe treu bleibt. Die erwähnenswerte Qualität dieser Spielelemente wird dadurch aber natürlich nicht geschmälert.
Ein interessanter Sprung zum Vorgänger lässt in Bezug zu den unterschiedlichen Settings entdecken: Während sich das Spielgeschehen 2017 noch vorrangig auf einer Art metallenen Insel und deren Bewohner*innen beschränkte, fasst der zweite Teil den Rahmen etwas größer. Neben Wald-Arealen verschlägt es Momo und seine Begleitung Six auch in eine verlassene Stadt inklusive Schule und dunkler Gassen. Jeder Abschnitt der Spielwelt steht dabei für sich und ist wunderbar detailliert designt. Es gibt wenig bis gar keine wiederholenden Elemente, was jedes neue Setting wie einen eigenen, neuen Alptraum erscheinen lässt. Langweile sieht anders aus!
Insgesamt macht Little Nightmares 2 in Sachen Horror-Atmosphäre also so ziemlich alles richtig, was man von einem Horror-Puzzle-Plattformer erwarten kann/darf. Bandai Namco und Tarsier Studios haben es geschafft, binnen zwei Spielen einen komplett eigenen Stil zu etablieren, der weniger über Jumpscares, als vielmehr über seine Atmosphäre funktioniert und darüber hinaus auch etwas ungemein Schönes in sich trägt.