Der Sport und das Glücksspiel
NBA 2K20 - Article - Der Sport und das Glücksspiel
NBA 2K20
28.09.19 14:11 Test
2K geht in die nächste Runde und versucht erneut, die Vorherrschaft auf dem Sportspielmarkt an sich zu reißen. Warum der neuste Ableger des Basketball-Franchise Fluch und Segen zugleich ist, erfahrt ...
Alle Jahre wieder darf sich die Basketball-Gemeinde an einer neuen Veröffentlichung aus dem Hause 2K erfreuen. Die nunmehr zweiundzwanzigste Ausgabe des Sportspiel-Klassikers „NBA 2K“ geht mit den beiden Cover-Athleten Dwayne Wade und Anthony Davis in die nächste Runde und so viel sei schon einmal gesagt: NBA 2K20 wird (völlig berechtigt) die Spielergemeinde spalten. Die Steam-Reviews sprechen hier ganz eigene Bände, denn selten zuvor lagen die Meinungen innerhalb der Community so weit auseinander wie dieses Jahr. Lohnt sich die neuste Version der erfolgreichen Basketball-Simulation oder darf getrost bis zur nächsten Konsolengeneration mit dem Geldausgeben gewartet werden? Der folgende Test dient als kleine Entscheidungshilfe, denn ganz so einfach lässt sich diese Frage gar nicht beantworten.

Inszenatorisch auf Topniveau

Bezüglich der Grafik und der Inszenierung macht auch dieses Jahr kein anderes Sportspiel dem NBA 2K-Franchise etwas vor: Angefangen bei den Aufnahmen der Spieler im Spielertunnel, beim Verlassen des Teambus bis hin zur Bewegungsanimation – NBA 2K20 präsentiert sich erneut als das (inszenatorisch) kompletteste und umfangreichste Sportspiel der derzeitigen Konsolengeneration. Hinsichtlich der Grafik legt NBA 2K20 im Vergleich zum Vorgänger noch eine Schippe drauf. So wirken auch die eher unbekannteren Spieler liebevoll und detailliert gestaltet, was das Spielerlebnis positiv abrundet. Die Inszenierung der Spiele orientiert sich dabei immer stärker an der Optik und Aufmachung einer TV-Übertragung, seien es die Halbzeitshows, Spielerinterviews oder die Berichterstattung durch das bekannte Moderatoren-Trio Kenny, Shaq und Ernie (Charles Barkley lässt leider noch auf sich warten): NBA 2K20 liefert ein ausgefeiltes Gesamtpaket ab und NBA-Fans dürfte es bezüglich der reinen Präsentation an nichts fehlen. Überraschend? Nein! Überzeugend? Ja!

More Than an Athlete

Der MyPlayer-Modus bildet – wie jedes Jahr – das Kernelement von NBA 2K20. Die letzten Ausgaben von NBA 2K glichen vielmehr einer Achterbahnfahrt hinsichtlich der Qualität der Geschichte und der Figurendarstellung betrifft. Auf was man sich jedoch all die Jahre verlassen konnte, sind Momente der überzogenen Dramatik und des Pathos, welche leider zum festen Bestandteil von sowohl Sportfilmen und –spielen gehören. Und – welch große Überraschung – auch dieses Jahr kommt man nicht umher, Teil emotional überinszenierter Monologe und Schicksale zu werden. Doch glücklicherweise zeigen sich die Geschichte und die Präsentation erwachsener und reifer als in den letzten Jahren, wodurch Dialogsequenzen durchaus ihre Daseinsberechtigung besitzen und sich nicht in leeren Gesprächshüllen verlieren. Doch worum geht es überhaupt: Der Spieler schlüpft in die Rolle von Che (der Name kann glücklicherweise aber auch geändert werden), einem erfolgreichen Collegespieler der Bay City Flames. Während eines Spiels kommt es zu einer schweren Verletzung eines Teamkollegen und guten Freundes von Che. Dieser bekommt jedoch aufgrund der Verletzung das Stipendium gestrichen. Che ist als Captain des Teams mit der Entscheidung nicht einverstanden und beschwert sich vehement beim Trainer des Teams, gespielt von Idris Elba. Dem Coach sind jedoch die Hände gebunden und an der Entscheidung wird nichts mehr geändert. So weigert sich Che das nächste Spiel zu bestreiten, was zur medialen Aufruhr führt. Che muss sich nun in den verbleibenden Spielen beweisen, um zur Draft Combine eingeladen zu werden, damit er seinen Traum von der NBA verwirklichen kann. Auf seinem Weg dürfen natürlich auch Verhandlungen mit Sponsoren und Vertragspartnern nicht fehlen, die das NBA-Geschehen abseits des Feldes maßgeblich beeinflussen. So spielt auch Maverick Carter, der Geschäftsmann von Lebron James eine größere Rolle, denn das Motto „More Than an Athlete“ (was 2018 auch zum Titel einer Doku-Serie von Lebron James und dessen Werdegang und sozialen Einrichtungen genutzt wurde) wird thematisiert. In Anbetracht des Produzenten der MyPlayer-Story wenig verwunderlich, denn Lebron James höchstpersönlich steckt hinter dem Projekt. Insgesamt kommt es zu deutlich mehr Dialog- als Gameplaysequenzen in den Anfängen des MyPlayer-Modus. Erfreulicherweise kann aber die Draft Combine recht umfangreich in kleinen Minispiel-Elementen absolviert werden, um die Draft-Position zu verbessern.

Die Geschichte ist insgesamt episodenhaft gestaltet, wodurch der ein oder andere Zeitsprung störend wirkt, im Laufe der Erzählung pendelt sich das aber glücklicherweise ein. Ähnlich verhält es sich auch mit den angesprochenen emotionalen Momenten, die vor allem zu Beginn mit theatralisch-musikalischer Untermalung Schlag auf Schlag zur Konflikteröffnung dargeboten werden. Die genretypischen Spannungen in Form von Rivalen und zwielichtigen Spieleragenten dürfen zwar auch nicht fehlen, diese Elemente sind aber angenehm unspektakulär und nachvollziehbar verbaut. Anders verhält es sich mit dem Umgang bekannter Persönlichkeiten wie aktuelle und ehemalige NBA-Stars. Lebron James, Kawhi Leonard, Scottie Pippen – sofern einer dieser Stars in die Geschichte verbaut wird, wirkt es entweder extrem erzwungen oder wie eine Werbung in eigener Sache. Spaß bereitet diese Aufeinandertreffen meist aber trotzdem und führt auch zur ein oder anderen auflockernden Gameplaypassage. Inhaltlich geht der Storymodus deutlich mit der Zeit, weswegen die Social-Media-Präsenz und die eigene Vermarktung eine größere Rolle spielt. So kann es beispielsweise passieren, dass sich der Spieler zwischen einem Workout und einem Filmdreh entscheiden muss. Insgesamt ist die Story stringenter erzählt als im Vorgänger und der Fokus liegt deutlich auf der Sportart und nicht auf großartigen zwischenmenschlichen Spannungen.
Auswahlmöglichkeiten bis zum Abwinken

Hinsichtlich des MyPlayer-Builds zeigt NBA 2K20 eine sinnvolle Neuerung. So können insgesamt 5 Spielermodelle vorab in einem Spiel getestet und das jeweilige Potential bezüglich der Entwicklungsmöglichkeiten eingesehen werden. Hier dürfen gut und gerne mehrere Stunden Spielzeit einfließen, denn das Rumprobieren mit den unterschiedlichen Einstellungen sorgt für jede Menge Laune.Ist der Draft erstmal geschafft, zeigen sich die altbekannten Möglichkeiten der Spielerentwicklung und der Spielbestreitung. Das Geschehen wird zwischendurch immer wieder durch kleinere Cutscenes aufgelockert, was die Motivation auch abseits der Verbesserung der eigenen Spielwerte aufrechterhält. Eine interessante Änderung findet sich im sogenannten „Badge-System“ wieder. In vier Oberkategorien (Playmaking, Finishing, Shooting, Rebounding/Defense) können Badges freigespielt werden. Diese sind jedoch nicht in einer festen Reihenfolge zugeteilt, sondern lassen sich anschließend aus jeweils 20 Möglichkeiten auswählen. Will man seinen Spieler zum Shotblocker umfunktionieren, kann beispielsweise das „Pogo Stick“-Badge freigeschaltet werden, was erlaub, nach einem Blockversuch schnell wieder in Position für den nächsten Versuch zu kommen um somit mehrere Würfe hintereinander blocken zu können. Insgesamt stehen über 80 Badges zur Verfügung, was sowohl die Spielmotivation, als auch eine spürbare Individualisierung des Spielertyps gewährleistet. Denn die Badges sind keinesfalls nur nette Objekte, die den Sammlertrieb befriedigen, nahezu jedes Badge-Upgrade ist im während des Spielgeschehens auch deutlich spürbar. Ähnlich verhält es sich auch bei den Takeover-Möglichkeiten. So gibt es erstmal 8 verschiedene Varianten, die als Takeover festgelegt werden können. Sowohl für einen kurzzeitigen Boost in der Verteidigung (Glass Cleaner & Lockdown Defender) als auch im Angriff (Shot Creator, Post Scorer, etc.) – die unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten ermöglichen abermals eine Individualisierung des eigenen Spielertyps. NBA 2K20 bringt diesbezüglich neue Qualitäten in den MyPlayer-Modus, der die Messlatte für andere Sportspiele deutlich höher setzt.

Auf dem Feld meisterlich

In Sachen Gameplay kann zum jetzigen Zeitpunkt nur eine recht oberflächliche Beurteilung getroffen werden, da sich die vielen kleinen Veränderungen erst nach vielen Spielstunden nach und nach zeigen. Was jedoch schon ab dem ersten Spielmoment deutlich wird, ist die wesentlich größere Gewichtung der Sprint-Funktion, die einen enormen Einfluss auf die Ausdauer der Spieler nimmt. So wird ein feineres Spielgefühl erfordert, um nicht gegen Ende des Spiels jegliche Ausdauer verbraucht zu haben, was wiederum zu schlechten Wurfquoten und Verteidigungsleistungen führt. Dadurch ergibt sich weitere taktische Tiefe, was die Kluft zwischen Anfängern und erfahrenen Spielern zwar weiter wachsen lässt, hinsichtlich des kompetitiven Charakters aber einen schönen, auflockernden Input gibt. Auch die Steuerung wurde nochmals überarbeitet und ermöglicht ein kontrolliertes Spielgeschehen, was zwar einiges an Eingewöhnungszeit benötigt (auch für erfahrene Spieler), sich im Endeffekt aber alles sinnvolle Verbesserung offenbart. Ansonsten kann noch angemerkt werden, dass NBA 2K20 animationstechnisch ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht hat, die individuellen Bewegungs-, Jubel- und Wurfanimationen sind angenehm und stimmig in das Gesamt-Gameplay eingebaut, nur selten verfängt sich ein Spieler ungewollt in einer Animation, was in den letzten Jahren immer wieder zu Problemen im Spielfluss geführt hatte. So gibt es keine grundsätzliche Neuerung im Gameplay, jedoch dreht NBA 2K20 an den richtigen Schrauben und versteht es, aus den Fehlern und Schwachpunkten des Vorgängers zu lernen.

Hinsichtlich neuer Spielinhalte macht NBA 2K20 wiederum einen umso stärkeren Schritt nach vorne. Angefangen bei der größten und gleichzeitig wichtigsten Neuerung: Der Einführung der WNBA. Die weltweit beste Frauen-Basketballliga findet leider viel zu oft fernab jeglicher medialen Aufmerksamkeit statt, nur die Diskussionen über den gewaltigen Gehaltsunterschied zwischen der NBA und der WNBA sorgt in den sozialen Netzwerken seit geraumer Zeit für Aufruhr. Diese Diskussionen enden dabei viel zu oft in sexistischen und abfälligen Kommentaren, weswegen NBA 2K20 mit der Einführung der Frauenlinga ein wichtiges Zeichen setzt (NBA Live – die Konkurrenz aus dem Hause EA – hat diesen Schritt schon im letzten Jahr vollführt). Die Einführung der WNBA bringt auch auf Gameplay-Ebene Neuerungen mit sich – unterstützt durch ein erstmals eingeführtes Kommentatoren-Trio. Dieses kommt zwar nicht ganz an die Qualitäten der altbekannten Kommentatoren Kevin Harlan, Clark Kellogg & Greg Anthony heran, bringt aber trotzdem erfrischende Abwechslung ins Spielgeschehen. Aufgrund des angepassten Gameplays haben die Frauenteams einen ganz eigenen, kompetitiven Charakter, was dem ein oder andere 1 vs. 1 neuen Schwung geben könnte. Leider aber steht für die WNBA kein Onlinemodus zur Verfügung, was nur darauf hoffen lässt, dass 2K bei ausreichender Nachfrage einen entsprechenden Patch nachreicht. Insgesamt aber wird die Frauenliga nicht nur aus reinen Imagegründen berücksichtigt, sondern aufgrund der angepassten Spielmechaniken und neuen inszenatorischen Inhalten angemessen und ernstzunehmend behandelt. Auch bei den historischen Teams zeigt NBA 2K20 überarbeitete Spielinhalte: Die neuen Teams setzen sich aus den besten Spielern des jeweiligen Jahrzehntes in All-Star-Teams zusammen. So kann beispielsweise das 2010er All-Star-Team gegen die Stars aus den 70ern antreten, was zu unterhaltsamen Aufeinandertreffen führen kann. Viele neue Spielergesichter gibt es zwar nicht, die unterschiedlichen Spielweisen der einzelnen Dekaden eröffnen jedoch die enorme Spielbandbreite von NBA 2K20 und präsentieren diese in einem grafisch eindrucksvollen und inszenatorisch perfektionierten Gewand.

Provokation in reinster Form

Was NBA 2K aber jedes Jahr zur Last fällt, ist der immense und penetrante Einsatz von Mikrotransaktionen, die von Jahr zu Jahr einen immer größeren Teil des Spiels für sich beanspruchen und beeinflussen. So werden Spielmodi, die jede Menge Potential besitzen, wie z.B. MyTeam aufgrund der Mikrotransaktionen in ihrem Spielspaß zerstört, wodurch sich darüber hinaus keine einheitliche Spielergemeinde bilden kann. Ist man nicht daran interessiert, nochmals extra Geld für Ingame-Currency auszugeben, sieht man sich schnell im meilenweiten Abstand zu anderen Spielern online, die wiederum noch einmal über den Kaufpreis hinaus Geld in die Hand genommen haben. Anstatt die Ingame-Käufe auf rein optische Belange zu reduzieren, bestimmt die virtuelle Währung die Spielerentwicklung maßgeblich. Hinzu kommt der Einsatz des Glückspiel-Prinzips, für den auch schon FIFA öffentlich geradestehen musste. Die Käufe der MyTeam-Kartenpacks basieren auf Glückspiel-Grundlagen, da mit Investieren der virtuellen Währung nicht gewährleistet ist, entsprechend gute Spieler zu bekommen. Dies führt dazu, dass immer mehr Geld investiert wird, um der Möglichkeiten schlechte Spieler zu ziehen vorzubeugen. Bei einer Spielerzielgruppe, die sich alterstechnisch zu großen Teilen aus unter 20-Jährigen zusammensetzt, ist dieses Prinzip mehr als bedenklich. Selbst die visuelle Darstellung der möglichen Gewinne ist ganz im Stile eines Casinos inszeniert (virtuelle Spielautomaten und Roulette-Tische). Das offene Bewerben von Casino-Mechaniken hat NBA 2K20 im Zuge der Veröffentlichung zwar schon einiges an Kritik eingebracht, wirkliche Konsequenzen musste 2K bis dato aber nicht davontragen. All das schmerzt doppelt, denn zum einen baut sich 2K dadurch selbst ein unschönes, gewinnbezogenes Image auf, zum anderen bleiben spannende Spielmodi links liegen.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von Rufus
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28. 09. 2019 um 14:11
03. 10. 2019 um 11:31
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