Actionreicher Koop-Rachefeldzug
A Way Out - Article - Actionreicher Koop-Rachefeldzug
A Way Out
12.04.18 19:10 Test
Dass das Entwicklerstudio Hazelight ein gutes Gespür für mitreißende und innovative Spiele hat, wurde mit Brothers: A Tale of Two Sons mehr als deutlich. Doch nun versucht sich das Team rund um den ...
Der libanesisch-schwedische Filmregisseur Josef Fares sorgte zuletzt noch bei den alljährlichen Game-Awards für Aufsehen und Aufreger, indem er seine Meinung gegenüber den Oscars deutlich zu verstehen gab („Fu** the Oscars“). Somit wird es sich um keinen Zufall handeln, dass er nun mit dem Indie-Studio Hazelight und unter Aufsicht von EA einen spielbaren Gefängnis-/Gangsterfilm auf den Markt bringt. „A Way Out“ versucht sich als reines Koop-Spiel und ist im Singleplayer erst gar nicht spielbar. In Zeiten von Mehrspielern-Blockbustern wie Fortnite oder Playunknown’s Battleground kein leichtes Unterfangen, da der Trend deutlich hin zu wuchtigen und grenzenlos großen Last-Man-Standing-Gameplay zieht. Kann sich ein vom Aussterben bedrohter Spielmodus in die Videospielindustrie reintegrieren oder sind die Zeiten des Koop-Spiels lange vorbei?

Knastgeschichten und Rachezüge

Die Story spielt in den 1970er Jahren und behandelt die Geschichte von Leo Caruso und Vincent Moretti, zwei Gefängnisinsassen, die ihre genommene Freiheit wiederherstellen wollen und einen Ausbruch planen. Leo als auch Vincent haben jeweils eine düstere Vergangenheit mit dem kriminellen Bankräuber und Drogendealer Harvey, der große Mitschuld an ihrer Verhaftung trägt. Harvey soll für seine Taten nicht unbestraft bleiben und Leo und Vincent schwören Rache zu üben. Die beiden Figurentypen könnten unterschiedlicher nicht sein. Vincent, ein ehemaliger Banker aus gutem Hause und Leo, ein Schläger mit heftiger Kindheit. Doch genau diese charakteristischen Unterschiede machen die Figurenkombination erst interessant und lebhaft, denn nicht nur auf, sondern auch vor dem Bildschirm muss regelmäßig diskutiert und besprochen werden, welcher nächste Schritt der sinnvollste ist. Und wem eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Spielfigur Leo Caruso und dem Chefentwickler Josef Fares auffällt, darf sich genüsslich auf die eigene Schulter klopfen, denn Josef Fares hat sich kurzerhand selbst in das Spiel eingescannt und gibt somit nicht nur im Hintergrund den Ton an. Eines von vielen kleinen aber bemerkenswerten Details, die A Way Out zu bieten hat. Etliche Easter Eggs, eingebaute Minispiele und Anspielungen (Fans der berühmten „Hallway Hammer Scene“ aus „Oldboy“ dürfen sich freuen) sind in der gesamten Story vorzufinden und schaffen ein schönes Gesamtkonzept. So simpel die Story auch ist, so ausgewogen und filmisch wird sie erzählt und vor allem erlebt. Eingebettete Rückblenden aus der Vergangenheit beider Figuren sorgen für den nötigen, narrativen Umfang und verleihen auch den beiden Hauptfiguren nach und nach Tiefe.

Splitscreen 2.0

Ein lokales Koop-Spiel ist ohne Splitscreen meist erst gar nicht spielbar, umso wichtiger, dass dieser gut durchdacht und ausgereift in das Spielgeschehen integriert wird. A Way Out zeigt, wie spielerisch leicht mit dem Splitscreen umgegangen werden kann. Zunächst wechselt der Splitscreen ständig und bleibt nicht statisch in der klassischen "Rechts-Links-Teilung", sondern passt sich an die jeweilige Situation an. Der Fokus der jeweiligen Szenen wird durch vorherrschende Schärfe- und Linienführung verdeutlicht und lässt somit wenig unübersichtlich, ungewolltes Chaos aufkommen. Fans der Serie "24" dürften gewisse Parallelen auffallen, A Way Out geht aber noch einen Schritt weiter und variiert teilweise beeindruckend gekonnt zwischen Plan- und Montagesequenzen, was den Einfluss von Josef Fares verdeutlicht. Die Kamera fängt beinahe jede Szene perfekt ein und schafft es, dem Spielgeschehen einen filmischen Look zu verpassen, den man sonst oftmals nur bei Cutscenes zu sehen bekommt. Apropos, selbst wenn sich ein Spieler in einer Cutscene befindet, kann sich der zweite Spieler frei im Raum bewegen und von außen das Geschehen betrachten. Auch die angesprochenen Plansequenzen sorgen aufgrund wechselnder Kamera- und Figurenperspektiven für Begeisterungssprünge, da hier das klassische Splitscreen-Prinzip außer Kraft gesetzt und geradezu auf ein neues Level gehievt wird.

Ebenfalls unterhaltsam wird es, wenn es zu Entscheidungen kommt, die im Laufe des Spiels immer wieder großen Einfluss auf den kurzzeitigen Storyverlauf nehmen können, auf den Ausgang der Geschichte aber keinen Einfluss haben. Beide Spieler müssen hier gemeinsam entscheiden und die jeweilige Situation einschätzen. Macht es beispielsweise mehr Sinn, die Polizisten zu überwältigen oder sollte die vorsichtigere Variante bevorzugt werden, in der versucht wird, sich an den Wachmännern vorbei zu schleichen. Dies führt nach und nach zu einem guten Gespür für den jeweiligen Moment und einer Identifikation mit den beiden Spielfiguren, aber auch zur ein oder anderen Diskussion vor dem Bildschirm. Die Bindung an die beiden Hauptfiguren findet im Finale seinen absoluten Höhepunkt. Zwei mögliche Enden können erreicht werden und sorgen gleichermaßen für emotionale und überraschende Momente. Es lohnt sich also absolut das Spiel durchzuspielen, auch wenn es an der ein oder anderen Stelle zu sehr klischeehaften Szenen kommt. Aber das lässt sich bei einem Gefängnis-Setting wohl auch nicht vermeiden.
Schönheit kommt von Innen

Grafisch tut sich A Way Out leider zu den meisten Teilen etwas schwer und man sieht dem Koop-Spiel an, dass es sich um ein Indie-Entwicklerstudio handelt. Zwar sind die Gesichter und die damit verbundenen Emotionen meist gut getroffen, in Sachen Bewegung hakelt es jedoch häufig an der ein oder anderen Stelle. Gesten und Bewegungsabläufe wirken hölzern und verhindern einen reibungslosen Spielfluss. Zwar fällt das nicht allzu stark ins Gewicht, da viele wichtige Szenen ohnehin durch eine Cutscene dargestellt werden, stören kann es aber trotzdem. Glücklicherweise hat A Way Out aber in den actionreichen Sequenzen seine grafisch und spielerisch stärksten Momente. Seien es Schlägereien oder Autoverfolgungsjagden – extrem beeindruckende und raffinierte Kamerafahrten sowie Montagesequenzen sorgen für Freude und lassen die grafisch mittelmäßigen Einlagen schnell vergessen. Insgesamt darf man also kein visuelles Meisterwerk erwarten, vielmehr wissen filmische Handgriffe zu überzeugen und schaffen durchaus eine stimmige und runde Atmosphäre.

Zu zweit sparen

In Sachen Steuerung orientiert sich A Way Out stark an einem reibungslosen und simplen Spielverlauf. Die Steuerung ist unkompliziert und variiert oftmals zwischen den einzelnen Situationen. Quicktime-Events, Shooter Elemente oder Autofahrten – für Abwechslung ist gesorgt. Jedoch ist das Gameplay zu beinahe keinem Zeitpunkt wirklich anspruchsvoll und ein Scheitern ist nahezu unmöglich. In Anbetracht der stringent und lebendig erzählten Geschichte aber wenig verwunderlich oder gar störend, der Fokus liegt vielmehr auf der Story als auf einem nervenaufreibenden Spielanspruch. Auch die Checkpoints liegen nur wenige Augenblicke zurück und verhindern ebenfalls eine unnötige zeitliche Streckung der Geschichte. Zwar hätte A Way Out an der ein oder anderen Stelle den Schwierigkeitsgrad gerne doch etwas anziehen können, brenzlige Situationen entstehen aber trotzdem und fördern vor allem im Zweiergespann den Spielspaß. Erwähnenswert ist der Online-Modus, der es ermöglicht, das Spiel zu zweit zu spielen, obwohl nur ein Spieler im Besitz von A Way Out ist. Die Kaufentscheidung dürfte hiermit deutlich erleichtert werden, da somit umgerechnet nur der halbe Preis für das Spiel gezahlt werden muss.

Sind Videospiele die besseren Filme?

Dass Videospiele die Möglichkeit besitzen, eindrucksvolle und einzigartige Geschichten auf besondere Art und Weise erfahrbar zu machen, haben Spiele wie "Shadow of the Colossus" oder "The Last of Us" grandios beweisen können. Doch leider steht die Story oftmals eher im Hintergrund und ein möglichst actionreiches Spektakel wird einem inhaltlichen Tiefgang bevorzugt. Nicht umsonst befinden sich unter den zehn erfolgreichsten PlayStation-Spielen 2017 ganze 7 (!!) Sport-, Jump&Run- oder Survivalspiele, die allesamt nicht durch ihre großartige Story, sondern vielmehr durch ihr Gameplay und über Jahre angesammelte Popularität die Massen begeistern. Natürlich sollen Videospiele in erster Linie als Unterhaltungsmedium verstanden werden und eine Flucht aus dem Alltag ermöglichen, weswegen jedoch austauschbare Geschichten den Großteil der AAA-Titel bestimmten, bleibt ein Rätsel. Gerade Videospiele besitzen die Möglichkeit, den Zuschauer gleichzeitig zum Spieler und somit Teil der Story zu machen. Das Mitwirken auf das Geschehen ist im Kino beispielsweise gar nicht erst möglich und vielmehr die Teilhabe wird durch technische Hilfsmittel (3D, 4D) zu erreichen versucht. Umso erfreulicher, dass A Way Out versucht, die Möglichkeiten von Videospielen zu nutzen bzw. anzuwenden. Die Spieler werden nicht im Einzelnen, sondern in der Zweiergruppe zum Teil der Geschichte und dürfen diese (wenn auch nur kurzzeitig) sogar in ihrem Verlauf beeinflussen. Polarisierende Entwicklungen und ein Ende, dass zum Nachdenken anregt – A Way Out macht einen Schritt in die richtige Richtung.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von Rufus
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Aktualisiert
12. 04. 2018 um 19:10
12. 04. 2018 um 19:10
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