Ein Bestseller als Point & Click?
Die Säulen der Erde - Article - Ein Bestseller als Point & Click?
Die Säulen der Erde
02.10.17 11:03 Test
Leid, Schmerz und Krieg - die Inhalte von "Die Säulen der Erde", dem Besteller Roman des Schriftstellers Ken Follett sind allseits bekannt. Kann Daedalic den hohen Ansprüchen gerecht werden und den ...
Beinahe 30 Jahre ist die Erstveröffentlichung von Ken Follets 1.200-seitigen Roman „Die Säulen der Erde“ nun schon her. Ken Follet, welcher unter anderem mit dem Edgar Award und dem Corine-Award für sein literarisches Schaffen ausgezeichnet wurde, war jedoch nicht immer interessiert an historisch orientierten Romanen. Zu Beginn seiner Karriere begeisterte er vor allem mit Kriminalgeschichten wie "Die Nadel" (1978). Mit Säulen der Erde ist ihm jedoch erstmals ein umfangreicher Roman gelungen, welcher sich im Mittelalter wiederfindet. Vor allem in Deutschland konnte Follet großen Erfolg feiern, Säulen der Erde landete bei einer ZDF-Umfrage bezüglich der Lieblingsbücher der Deutschen auf Platz 3. Nun versucht sich das Hamburger Entwicklungsstudio Daedalic, was in den letzten Jahren vor allem mit ihrer enorm erfolgreichen Deponia-Reihe für Aufsehen sorgen konnte, an dem Bestseller. Dass literarische Werke als Videospiel dargestellt werden sollen, lässt sich eher selten vorfinden. Meist wird die filmische Alternative bevorzugt, so wurde auch „Die Säulen der Erde“ 2010 als Vierteiler für Sat.1 und dem Orf produziert und ausgestrahlt. 2006 erschien eine erfolgreiche Brettspielversion des Mittelalter-Romans, welche mit dem Deutschen Spiele Preis ausgezeichnet wurde. Einen ähnlichen Erfolg erhofft sich nun auch Daedalic. Der Schritt, einen Roman auf die Computerbildschirme zu zaubern, kann viele Hindernisse mit sich bringen. Diese versucht Daedalic jedoch durch eine Art interaktives Storytelling zu bewältigen. Das Spiel soll insgesamt in drei Büchern mit je sieben Kapiteln erscheinen. Ob dieses Unterfangen gelingt zeigt der folgende Testbericht.
 
Dein Einfluss auf die Geschichte

Die Geschichte des ersten Buches "Aus der Asche" und somit den ersten sieben Kapiteln findet im alten England im Jahr 1135 statt und behandelt den dort tobenden Erbfolgekrieg. So schlüpfst du abwechselnd in die Rollen von Tom Builder, Jack und Bruder Philip. Der Fokus des ersten Buches liegt jedoch auf Tom, einem arbeitssuchenden Steinmetz, welcher mit seiner hochschwangeren Frau Agnes und seinen beiden Kindern Martha und Alfred durch die verschneiten Landschaften zieht, mit dem Ziel in der nächstgelegenen Stadt Fuß fassen zu können. Seinen Traum, dem Errichten einer eigenen Kathedrale, verliert er dabei nie aus den Augen. Doch auch Bruder Philip hat mit Problemen zu kämpfen. Er wurde zur Priorei Kingsbridge gerufen, um dort für Ordnung zu sorgen. Nach dem mysteriösen Verschwinden von Prior James, Philips Vorgesetzten, versinkt Kingsbridge im Chaos und es eröffnen sich bisher ungeahnte Abgründe. Und auch der vermeintliche Selbstmord von Bruder James erweist sich immer mehr als fragwürdig. Auf den Wegen beider Figuren stehen dir einige Entscheidungen im Weg, mit denen du das Schicksal deiner Figuren und deren Mitstreitern positiv als auch negativ beeinflussen kannst. Diese interaktiv gestaltete Erzählweise, mit welcher sich Daedalic an die Romanerzählung wagt, eröffnet viele kleine Geschichten, die so nicht in der Buchvorlage vorhanden sind. Nach dem Abschluss jedes der sieben Kapitel werden deine Entscheidungen und deren Wirkung aufgelistet und dir wird gezeigt, welchen Einfluss dein Verhalten auf die Story, als auch auf die Beziehungen der einzelnen Charaktere nimmt. Das Schicksal der Hauptfiguren kann jedoch nur bedingt bestimmt werden, der Ausgang der Hauptgeschichte ist nicht zu ändern. Einen solch immensen Eingriff in die Romanvorlage hat Daedalic nicht gewagt, was hinsichtlich der inhaltlichen Verknüpfung zu den noch bevorstehenden Büchern mehr als Sinn macht.

Ganz so unwichtig sind deine Entscheidungen dann aber doch nicht. Nebencharaktere können zum Beispiel bei falschem (oder richtigen) Handeln sterben. Auch das Verhalten der Figuren kann sich ändern, je nachdem, in welche Richtung die Entscheidung verlief. So kann Prior Philip beispielsweise zwei noch unerfahrene Mönche mit einer Gottesmetapher bequatschen. Diese beiden werden die genannte Metapher dann über die nächsten Spielszenen hinweg ausgiebig diskutieren. Hätte Bruder Philip jedoch den Teufel angesprochen, wäre die Diskussion in eine andere Richtung verlaufen. Die aus deinem Handeln resultierenden Einflüsse auf das Spielgeschehen lassen sich mit Spaß verfolgen und bringen dich dazu, bei deiner nächsten Auswahlmöglichkeit auch mal ein wenig länger zu überlegen. Es wird auch schnell deutlich, dass Säulen der Erden nur etwas für geduldige Liebhaber von umfangreichen Dialogen und erzählten Geschichten ist. Diese kommen, den Umständen entsprechend, natürlich nicht mit dem feinen, schwarzen Humor aus Deponia oder Edna bricht aus daher, können dafür aber auf emotionaler Ebene überzeugen. Die Probleme der Charaktere werden greifbarer, Nebensätze verraten teilweise einiges über die Gefühle und Vergangenheit der Figuren. Dialoge, wie sie in einem Hörbuch vorzufinden sein könnten, verleihen dem Spiel eine Menge an geschichtlicher Tiefe, was bei einer 1.200-seitigen Buchvorlage nur von Vorteil sein kann.
Tolle Darstellung mit kleineren Schwächen

Grafisch zeigt Daedalic abermals, wie zeitlos gezeichnete Point-&-Click-Adventures sein können. Die fast schon künstlerische Landschaftsdarstellung und die wunderschöne Charakterinszenierung müssen sich vor bisherigen Veröffentlichungen aus dem Hause Daedalic keinesfalls verstecken. Passend zur Thematik ist die Grundstimmung bedrohlich und jeder Schauplatz kommt düsterer daher. Vor allem im Vergleich zu den farbenfrohen, verrückten Settings aus Deponia nimmt sich Säulen der Erde an vielen Stellen um einiges ernster und schafft, gepaart mit den ausgiebigen Dialogen, eine tolle Atmosphäre. Hinzu kommt ein großartiger Soundtrack, mit welchem die einzelnen Szenen stimmig hinterlegt sind. Doch leider kann die Animationen der Charaktere an manchen Stellen zu einem großen Hindernis werden. Angefangen bei vereinzelt aussetzenden Mundbewegungen und Rucklern hinsichtlich schnellerer Kamerafahrten – oftmals steht die Animation einem runden Spielfluss im Weg. Es lässt sich jedoch hoffen, dass Daedalic in den noch folgenden zwei Büchern an der ein oder anderen Stelle einige Verbesserungen an der Animation vornehmen wird. Aber insgesamt tun die, zu manchen Teilen, aussetzenden und ruckligen Animationen dem grafischen Gesamteindruck keinen allzu großen Abbruch und Säulen der Erde lässt sich auf audiovisueller Ebene problemlos weiterempfehlen. Vor allem in seiner (für Daedalic ungewohnten) Ernsthaftigkeit kann es für den ein oder anderen Wow-Effekt sorgen.

Altbekannte Spielmechanik?

Natürlich lässt sich bei einem Point-&-Click-Adventure recht wenig zur Steuerung sagen, da sich die Grundprinzipien im Laufe der Jahre so gut wie gar nicht verändert haben. Ein paar Besonderheiten zeigt Säulen der Erde dann aber doch. Zum einen funktioniert das Point-&-Click verblüffend gut auf den Konsolen. Auch ohne einen Mauszeiger ist die Steuerung simpel und geradlinig gehalten und steht dem Storytelling zu keinem Moment im Weg. Hinzu kommen gelegentliche Quick-Time-Events, in denen in richtigem Tempo gedrückt werden muss. Von großer Schwierigkeit sind die kleineren Herausforderungen zwar nicht, Einfluss auf die Geschichte können diese aber durchaus haben. Was hingegen fehlt sind wirkliche Rätsel. Die Aufgaben bestehen meist daraus mit bestimmten Leuten zu reden um somit an notwendige Informationen zu gelangen. Die Erzählung wird nicht unnötig in die Länge gezogen, die ein oder andere Knobelei hätte jedoch keinesfalls geschadet. Insgesamt besteht kein Leistungsanspruch an den Spieler, was natürlich zum Vorteil hat, dass auch unerfahrene Spieler problemlos die Geschichte erleben können, leider aber eben auch wenig Motivation zum Weiterspielen liefert. So hätten inhaltliche Längen mit Hilfe eines kleineren Rätsels spielerisch überbrückt werden können. Da Säulen der Erde aber zu einem großen Teil Fans der Buchvorlage ansprechen will, wird dieser Makel nicht von allzu großer Bedeutung sein, denn die Story schreitet ohne Hindernisse stetig voran. Was außerdem eine Motivation für die Buchfans darstellen soll, ist die interaktive Spielweise, das heißt der Einfluss des Spielers auf den Verlauf der Geschichte. Wie gesagt, die Hauptgeschichte lässt sich nicht verändern, Nebengeschichten hingegen schon. So können, dir unsympathische Charaktere, welche im Buch überlebt haben, einen nicht ganz so glücklichen Ausgang erleben. Wie viel die bestehenden Möglichkeiten der Einflussnahme bieten, ist jedem selbst überlassen.
 
Follets Segen

Die Zusammenarbeit von Daedalic mit dem Verlag Basei Lübbe, welche eben auch eng mit Ken Follet zusammenarbeiten besteht nun schon seit mehreren Jahren. So bestand für das Entwicklerteam von Säulen der Erde sogar die Möglichkeit, Ken Follet selbst von ihrer Idee, sein literarisches Werk als Videospiel zu adaptieren, zu überzeugen. Follet selbst war angetan von der Idee und segnete das Unterfangen ab. Das über 30 Jahre alte Buch gelangt so, auf einem etwas anderen Weg an eine neue, jüngere Zielgruppe.
Erfahre hier, wie der Titel in unserer Wertung abgeschlossen hat.

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Erstellt von Rufus
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02. 10. 2017 um 11:03
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