Achte auf deinen Skillbaum!
Die Möglichkeiten, mit deiner Umwelt auf unterschiedliche Art und Weise zu interagieren, entspringen aus deinen ausgerüsteten Fähigkeiten, die im Laufe des Spiels mit verdienten Credits verbessert werden können. Auch wenn sich auf den ersten Blick rein spielerisch dabei nicht viel verändert, das Spielverhalten passt sich dennoch stark den unterschiedlichen Fähigkeitsverbesserungen an. Fähigkeiten wie Okkultismus oder Medizin verbessern dein Wissen, rund um Wunden, Blutlachen und okkulte Befunden und die Hauptfigur schätzt diese auch wesentlich genauer und nachvollziehbarer ein.
Welche Art von dämonischem Ritual abgehalten wurde oder wie alt eine gefundene Tierleiche ist, kann Rückschlüsse des Spielers auf den vorhandenen Sachverhalt maßgeblich beeinträchtigen und ihn gegebenenfalls auf eine falsche Fährte locken. Weitere Fähigkeiten, die sich auf das Erkunden oder Gespräche beziehen wie beispielsweise Redegewandtheit oder Psychologie, können ebenfalls zu eindeutigen Hinweisen als auch zu widersprüchlichen Zusammenhängen führen. Eine gute Redegewandtheit kann neue Dialogmöglichkeiten und somit die Möglichkeit an neue Informationen zu gelangen freischalten. Ist diese Fähigkeit jedoch wenig bis gar nicht geskillt, können Fehlinformationen zu Fehlschlüssen führen und somit dem Spieler abermals im Unwissenden lassen. All diese kleineren Konsequenzen leiten zu einem Zustand der permanenten Unsicherheit, ob das, was gerade gesagt wird oder zu sehen ist auch wirklich der (Spiel-)Realität entspricht. Und was passt bei einer Lovecraft-Adaption besser, als das Zweifeln am eigenen Verstand?
Damit wäre auch zum Gameplay schon einiges gesagt, denn ausgeklügelte Kämpfe oder Kletterpassagen dürfen bei Call of Cthulhu nicht erwartet werden. Das Ermitteln steht deutlich im Vordergrund und wird mit der ein oder anderen (für das Horrorgenre leider nicht untypischen) Stealth-Sequenz ergänzt. Letztere fallen allesamt wenig innovativ aus und bestehen hauptsächlich aus Versteckspielen und dem Agieren im richtigen Moment. Kleinere Rätsel in Form von zu suchenden Gegenständen oder zu aktivierenden Schaltern lockern die sonst so recht eindimensionalen Stealth-Sequenzen etwas auf, insgesamt wird jedoch ein eher stringentes Storytelling angepeilt. Spielmechanisch tut sich somit nicht sonderlich viel, was aber keinesfalls als Negativpunkt verstanden werden soll. Focus Home Interactive selbst beschreibt Call of Cthulhu als „Narratives Horror-Rollenspiel”, großartige, spielmechanische Tiefe würde dem Gesamtkonzept nicht guttun. Die Steuerung ist unkompliziert und schnell verständlich und ermöglichst einen reibungslosen Start in die Geschichte.
Auch der Spielanspruch fällt eher gering aus, was der spielerischen Immersion zugutekommt, denn somit zieht sich die Geschichte nicht unnötig in die Länge und behält ihre Spannung bis zum Schluss bei. Call of Cthulhu lebt von seiner toll erzählten und durchdachten Geschichte. Sofern man sich auf diese einlässt, dürften die fehlende tiefgehende Spielmechanik und der geringe Spielanspruch nur wenig ins Gewicht fallen.
Grafik flop, Atmoshpäre top?!
Beim Thema grafischer Inszenierung sieht man Call of Cthulhu leider seinen Nischen-Charakter an. Holprige Bewegungsanimationen und geradezu verstörend gestaltete Gesichtsdarstellungen – wirklich viel kann man dem Spiel hier nicht abgewinnen. Anders verhält es sich jedoch mit der kreierten Atmosphäre, die sich für das generelle Spielgefühl als deutlich wichtiger erweist. Darkwater Island kann weniger mit seinen Einzelaspekten, wie die Spielunke oder das Lagerhaus der Familie Hawkins überzeugen, vielmehr schafft das Gesamtkonstrukt der vorhandenen Ortschaften eine schaurig schöne Atmosphäre.
Dichter Nebel und der dezente Einsatz einzelner Lichtquellen geben dem Lovecraft-Wahnsinn eine passende Form, selbst in skurrilen Traumsequenzen stimmt der Grundtenor der Darstellung. Wie bereits angesprochen, liegen die grafischen Problematiken im Detail, die mal mehr, mal weniger stark zum Vorschein kommen. Vor allem in den Dialogsequenzen sollte der Fokus mehr auf die audio- als auf die visuelle Ebene gelegt werden, zumal sich viele Nebencharaktere enorm ähneln und sich meist nur mit einer anderen Frisur oder anderer Kleidung voneinander unterscheiden lassen. Natürlich hätte eine ausgereiftere und detailliertere Grafik dem Gesamteindruck gutgetan und die Atmosphäre positiv beeinflusst, das lässt sich nicht abstreiten. Trotz allem stört der Grafikrückstand recht wenig, da die Geschichte und deren Entwicklung den Reiz von Call of Cthulhu ausmachen. Fans der Erzählungen von H. P. Lovecraft werden ihre eindrucksvollen Momente erleben und mit Sicherheit über die ein oder andere visuelle Enttäuschung hinwegsehen.